Wie man mit offiziellen Einladungen verfährt (UWE lernt dazu…)

Als Neulinge auf der politischen Bühne haben wir in manchen Dingen noch Lernbedarf. So langsam durchschauen wir die Arbeitsabläufe und das verwaltungstechnische Prozedere. Die Satzungen und die HGO (das ist keine Abkürzung für einen medizinischen Fachspezialisten, sondern die Hessische Gemeindeordnung) haben wir studiert und versuchen zunehmend reibungsloser, Theorie und politische Praxis miteinander in Einklang zu bringen. Aber es gibt immer noch Geheimnisse und uns bislang unbekannte Rituale zu entdecken. So geschehen in der letzten Woche.

Da bekommen die gewählten Vertreter aller Fraktionen eine Einladung des Bürgermeisters zu einer Informationsveranstaltung über die Arbeit der Willkommenskreise für Flüchtlinge in Selters. Dies geschieht keineswegs überraschend oder kurzfristig, sie wird im Rahmen der letzten Sitzung der Gemeindevertretung bereits mündlich angekündigt. Die Mitglieder der Steuerungskreise möchten ihre Arbeit der letzten Monate vorstellen, berichten, was gut gelaufen ist und wo noch Nachbesserungsbedarf besteht. Von der Gemeindeverwaltung wird über die aktuelle Anzahl von Flüchtlingen und deren Wohnsituation berichtet, der Schulleiter der MPS sagt etwas zur Unterrichtsplanung und Vertreter der Presse sind natürlich ebenfalls anwesend. Klingt ja erst mal spannend.

Nun waren wir so tollpatschig anzunehmen, dass, wenn der Bürgermeister die Gemeindevertreter zu einer Veranstaltung einlädt und dies mehrfach mündlich wiederholt, es gute Sitte sei, die Einladung anzunehmen und – sofern nicht verhindert – zu erscheinen. Weit gefehlt! Allerdings wurden wir vorher von den Kolleginnen und Kollegen auch nicht gewarnt.

An besagtem Abend waren also vier von fünf UWE-Abgeordneten vor Ort, ein Kollege war im Urlaub und entschuldigt. Damit hatten wir sozusagen die absolute Mehrheit im Saal. Doch es gab ja gar nichts abzustimmen, keine Möglichkeit, große Reden zu schwingen oder anderweitig vor Publikum Pirouetten zu drehen. Auch mangels Publikum. Es ging schlicht darum, zuzuhören und sich zu informieren. Also keine Bühne für den großen Auftritt – was die Kollegen der übrigen Fraktionen aufgrund ihrer reichen politischen Erfahrung offenbar sofort messerscharf erkannten und ergo beschlossen, ihre wertvolle Zeit anderweitig zu nutzen. Halt, nein, ein Vertreter von FWS und  eine Kollegin der CDU hatten ebenfalls den weiten Weg zum Brunnen nicht gescheut und den Ausführungen der Referenten gelauscht. Nicht sehr schön für die Ehrenamtlichen, die sich viel Mühe mit der Erstellung der Präsentation gemacht und sicherlich auf etwas mehr Resonanz gehofft hatten.

Was haben wir als UWE gelernt?

  1. Wenn zu einer Veranstaltung geladen wird, bei der es weder Verköstigung noch Sitzungsgeld gibt, ist es ausreichend, maximal EINEN Vertreter zu entsenden. Alles andere ist ineffizient.
  2. Wenn man als Partei das Attribut „sozial“ im Namen führt, muss man gar nicht erscheinen, denn die empathische Kompetenz ist ja quasi schriftlich fixiert und daher über jeden Zweifel erhaben und den Parteimitgliedern in die Wiege gelegt.
  3. Wenn die Anzahl der Referenten die Zahl der geladenen, anwesenden Zuhörer übersteigt, gibt das kein schönes Bild ab. Wenigstens stellt es aber die Presse vor fotografische Herausforderungen.

Sollte das Thema „Flüchtlinge“ irgendwann vielleicht in der Gemeindevertretung behandelt werden, bin ich jedenfalls sehr gespannt, wer dann alles seine fundierten Erläuterungen und Erkenntnisse zum Besten gibt und die Zuhörer und uns damit vielleicht zum Besten hält.

Nichts für ungut!

3 Kommentare

  1. Lieber Lothar, ja, ich gebe Dir Recht! Es ist bedauerlich, dass so wenige Mandatsträger aus der Gemeindevertretung der Einladung gefolgt sind oder sagen wir besser, folgen konnten. Nur Dein Rückschluss hierfür geht leider in die Irre, zumindest was die Mitglieder der GV anbelangt, die die Partei mit dem “Sozial” im Namen vertreten. Die Arbeitsstätten von mehr als der Hälfte unserer Fraktionsmitglieder liegt im Raum Frankfurt oder noch weiter südlich. Am Nachmittag des Veranstaltungstags ereignete sich am Wiesbadener Kreuz leider ein schwerer Verkehrsunfall, der in Fahrtrichtung Köln zu einem Gafferstau führte, von dem dann auch die Nebenstrecken betroffen waren. Also nicht die Tatsache, dass es “kein Sitzungsgeld” gibt, sondern schlichtweg höhere Gewalt war ursächlich für das Fernbleiben der SPD-Parlamentarier….
    Aber nichts für Ungut, auch die Methodik der Ursachenforschung lernt sich schnell. 🙂
    Mit besten Grüßen
    Rüdiger Link
    SPD-Fraktionsvorsitzender in der Gemeindevertretung Selters

    • Lieber Rüdiger,
      stimmt, an diesem Tag war es kein Vergnügen, auf der A3 und den Nebenstrecken Richtung Selters zu gelangen. Der “frühe” Beginn der Veranstaltung hat sicherlich auch nicht zu regerem Besuch beigetragen. Ich hatte in den Staus auf den Nebenstrecken (Wallau, Medenbach, Niedernhausen) ebenfalls zeitweise größte Bedenken, rechtzeitig einzutreffen. Übrigens arbeiten auch die UWE-Fraktionsmitglieder im Rhein-Main Gebiet. Aber es stimmt, wenn man im falschen Stau steht, dann macht man halt nix mehr. Insofern möchte ich “mehr als die Hälfte” Eurer Fraktionsmitglieder von meiner Kritik explizit ausnehmen. Das ist wirklich höhere Gewalt. Aber, nur um die Methodik meiner Ursachenforschung weiter verfeinern zu können, was war denn dann mit “weniger als der Hälfte”? (rhetorische Frage, beliebtes Stilmittel bei Glossen) 😉

      Liebe Grüße
      Lo

  2. Sehr geehrter Herr Link,
    als eine der Ehrenamtlichen und Referenten an diesem Abend beruhigt es mich zu wissen dass nicht mangelndes Interesse sondern ‘höhere Gewalt’ die Abwesenheit zumindest einiger Gemeindevertreter erklärt. Allerdings arbeiten auch wir, und zwar nicht nur ehrenamtlich, sondern Vollzeit in einem ‘richtigen’ Beruf, einige von uns ebenfalls in Frankfurt. Ich hatte an diesem Abend ebenfalls wenig Spaß auf der Heimfahrt. Natürlich war es in unserem Interesse pünktlich zu sein um unsere Arbeit vorstellen zu können, das stellt sich für die Zuhörer sicher etwas anders dar. Trotzdem hätten wir uns auch über einige verspätete Gäste gefreut.
    Freundliche Grüße
    Karin Siegmund

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